18. November 2019

Mitar­bei­ter­be­ur­tei­lung lie­fert Fir­men­chef viele In­formationen

Eine struk­tu­rierte Mitar­bei­ter­be­ur­tei­lung kann als Ba­sis für Ziel­ver­ein­ba­run­gen, Ge­halts­ge­sprä­che, Ar­beits­zeug­nis­se so­wie Per­so­nal­ent­schei­dun­gen die­nen. Un­ter­neh­mer soll­ten Me­tho­den, Be­wer­tungs­kri­te­rien und Ab­lauf aber stets mit ei­nem An­walt abstimmen.

Text: Frank Wiercks

atür­lich kann man so reagieren, wenn jemand einen Fehler macht: herzi­tieren, abwat­schen, wegschi­cken, auf Besse­rung hoffen. Und manchmal mag das viel­leicht sogar die ange­mes­sene Reak­tion sein, weil der Fehler so haar­sträu­bend und die Lösung einfach ist. Meis­tens aller­dings fühlt sich nach solchen Zusam­men­stößen nur der Chef gut, der sich abre­agieren konnte. Sein Mitar­beiter hingegen sieht sich herun­ter­ge­putzt und schlimms­ten­falls – wenn es Zeugen für die Ansage gab – öffent­lich gede­mü­tigt. Aber sicher nicht verstanden, unter­stützt, geför­dert – geschätzt eben. Direkte harsche Reak­tionen durch den Firmen­chef sollten also die abso­lute Ausnahme bleiben. Besser wäre es, sofort kritisch-sach­li­ches Feed­back zu geben und Tipps, wie sich der Fehler vermeiden lässt. Doch keines­falls durch eine derar­tige Situa­tion seinen persön­li­chen Eindruck von diesem Mitar­beiter prägen zu lassen. Wer sein Personal gut führen und sein Unter­nehmen damit attrak­tiver für Bewerber machen will, sollte viel­mehr auf eine struk­tu­rierte Mitar­bei­ter­be­ur­tei­lung setzen. Also alle Beschäf­tigten regel­mäßig nach bestimmten objek­tiven Krite­rien bewerten.

Mitar­bei­ter­be­ur­tei­lung er­leich­tert Ent­scheidungen

So eine Mitar­bei­ter­be­ur­tei­lung findet natür­lich unab­hängig von indi­vi­du­ellen Fehlern einzelner Beschäf­tigter statt – kann jedoch helfen, solche Fehler zu vermeiden. Denn sie liefert Hinweise zu Stärken und Schwä­chen einer Person – für welche Aufgaben ist jemand beson­ders geeignet, wo besteht Quali­fi­zie­rungs­be­darf? Deshalb können ihre Ergeb­nisse dazu führen, Beschäf­tigte anders einzu­setzen oder ihnen eine Weiter­bil­dung anzu­bieten. Zur Mitar­bei­ter­be­ur­tei­lung gehört neben der fach­li­chen Quali­fi­ka­tion das Verhalten im Team und gegen­über dem Vorgesetzten/Firmenchef. Und, unab­hängig von konkreten Fehlern, die Entwick­lung der persön­li­chen Leis­tung, auch im Vergleich zu Kollegen. Denn eine – möglichst über einen längeren Zeit­raum nach­voll­zieh­bare – stan­dar­di­sierte Mitar­bei­ter­be­ur­tei­lung ist ein wesent­li­ches Argu­ment für Lohn­er­hö­hungen oder Ziel­ver­ein­ba­rungen. Auf ihrer Basis können zudem Mitar­bei­ter­ge­spräche ziel­ge­rich­teter geführt sowie Arbeits­zeug­nisse besser begründet werden. Infor­ma­tionen zum Aufbau eines solchen Systems liefert beispiels­weise die Hans-Böckler-Stif­tung. Wichtig ist aber insbe­son­dere, das geplante Vorgehen mit einem Anwalt für Arbeits­recht abzu­spre­chen: Insti­tu­tio­na­li­sierte Leis­tungs­be­ur­tei­lungen, Bewer­tungs­ka­ta­loge und Mitar­bei­ter­ge­spräche müssen bestimmten recht­li­chen Vorgaben folgen.

Mitar­bei­ter­be­ur­tei­lung aus di­ver­sen Perspek­tiven

Wichtig sind zunächst drei Fragen: Wer soll den Mitar­beiter beur­teilen? Welche Aspekte sind zu beur­teilen? Welchen Krite­rien folgt die Mitar­bei­ter­be­ur­tei­lung? Punkt eins dürfte viele Unter­nehmer über­ra­schen – es geht um ihr Unter­nehmen, ihre Beschäf­tigten, also ihren Eindruck. Doch Perso­nal­ex­perten schätzen die erwei­terte Perspek­tive und unter­scheiden deshalb zwischen der Stel­lung­nahme durch

den Vorge­setzten: Er beur­teilt die ihm direkt unter­stellten Beschäf­tigten hinsicht­lich Leis­tungen und Quali­fi­ka­ti­ons­po­ten­zial.

den Mitar­beiter: Bei der Selbst­be­ur­tei­lung gibt er eine Einschät­zung seiner Leis­tung und seines Poten­zials. Das fördert seine Einbin­dung in den Entwick­lungs­pro­zess.

die Kollegen: An einer Gleich­ge­stell­ten­be­ur­tei­lung nehmen Kollegen teil, die im glei­chen Bereich auf einer hier­ar­chi­schen Ebene arbeiten. Diese Mitar­bei­ter­be­ur­tei­lung sollte für alle zeit­gleich erfolgen.

die Unter­ge­benen: Alle Mitar­beiter eines Bereichs beur­teilen ihren direkten Vorge­setzten hinsicht­lich Führungs­ver­halten sowie teil­weise Quali­fi­ka­tion und Leis­tung.

alle: Die 360-Grad-Beur­tei­lung ist eine der umfas­sendsten Formen der Mitar­bei­ter­be­ur­tei­lung insbe­son­dere für Führungs­kräfte. Hier werden regel­mäßig Einschät­zungen von Vorge­setzten, Kollegen, Mitar­bei­tern sowie Kunden erfragt.

Welchem Ziel soll die Mit­ar­bei­terbe­ur­tei­lung dienen?

Welche Aspekte die Mitar­bei­ter­be­ur­tei­lung einbe­zieht, sollte der Unter­nehmer genau über­legen. Erstens muss er entscheiden, welche Infor­ma­tionen für ihn wichtig sind, zwei­tens, wie aufwendig die Aktion werden soll. Gene­rell geht es stets um den Drei­sprung Können – Wollen – Schaffen: Was kann der Beschäf­tigte über­haupt, wie moti­viert und ziel­ge­richtet setzt er sein Können um, welche Ergeb­nisse erzielt er? Vielen Firmen­chefs reicht ein genauer Blick in Form von Verhal­tens­ein­schät­zung, Eigen­schafts­be­wer­tung und der Analyse der Arbeits­er­geb­nisse. Auf dieser Basis lassen sich dann Perso­nal­ent­wick­lungs­maß­nahmen planen. Wer mehr Facetten betrachten will, kann detail­lierter vorgehen und bei bestimmten Punkten tiefer bohren. Etwa beim Beur­teilen von Quali­fi­ka­tion und Kompe­tenzen, zu denen fach­liche Aspekte ebenso zählen wie die Fähig­keit zur Perso­nal­füh­rung oder Selbst­mo­ti­va­tion. Wichtig werden solche Details, wenn die Mitar­bei­ter­be­ur­tei­lung auch bei der Auswahl des besten Kandi­daten etwa für interne Stel­len­be­set­zungen helfen soll. Denn hier sind Charak­ter­ei­gen­schaften zu beachten, die bei einem Gespräch über Ziel­ver­ein­ba­rungen oder mehr Gehalt nicht unbe­dingt erfor­der­lich wären.

Mitar­bei­ter­be­ur­tei­lung braucht ein Be­wer­tungs­system

Ist klar, wer die Mitar­bei­ter­be­ur­tei­lung über­nimmt und um welche Aspekte es vor allem geht, muss ein Bewer­tungs­system her. Als Klas­siker gilt das Einstu­fungs­ver­fahren. Dabei bekommt der Beur­teiler bestimmte Beur­tei­lungs­kri­te­rien sowie eine zuge­hö­rige Skalie­rung, mit deren Hilfe er die jewei­ligen Krite­rien einordnet und misst. Die Kunst liegt darin, sinn­volle Krite­rien und eine stim­mige Skala zur Bewer­tung zu finden. Die Ergeb­nisse notiert der Beur­teiler etwa in Form von Schul­noten für die jewei­ligen Aspekte. Später lassen sich durch diese Stan­dar­di­sie­rung die Ergeb­nisse einfach verglei­chen, der subjek­tive Eindruck durch den Bewerter wird zurück­ge­drängt. Im Gegen­satz dazu entscheidet beim Rang­ord­nungs­ver­fahren der Beur­teiler quasi über eine Hier­ar­chie der Leis­tungs­träger im direkten Vergleich. Er folgt Krite­rien, sortiert die Beur­teilten aber aufgrund bestimmter Aspekte oder des Gesamt­ein­drucks selbst in eine letzt­lich subjek­tive Rang­folge. Bei der freien Beur­tei­lung basiert die Mitar­bei­ter­be­ur­tei­lung auf Krite­rien und einer Gewich­tung, die der Bewerter ganz indi­vi­duell wählen kann.

Mitar­bei­ter­be­ur­tei­lung soll­te keine Ein­tags­fliege sein

Letzt­lich kommt es aber nicht nur auf die einzelnen Noten an, sondern ebenso auf den Prozess an sich. Ein System zur Mitar­bei­ter­be­ur­tei­lung kann den Beschäf­tigten signa­li­sieren, dass der Unter­nehmer sich nicht nur für die aktu­elle Leis­tung inter­es­siert. Sondern auch in die gemein­same Zukunft inves­tiert, indem er Ziel­ver­ein­ba­rungen trifft sowie indi­vi­du­elle Möglich­keiten zur Weiter­bil­dung eröffnet. Die Beur­tei­lung hilft, Quali­fi­zie­rungs­be­darf der Beschäf­tigten zu ermit­teln, aber auch, Top-Kandi­daten für eine bestimmte Aufgabe im Unter­nehmen zu iden­ti­fi­zieren. Wichtig ist, dass so eine Mitar­bei­ter­be­ur­tei­lung keine Eintags­fliege bleibt. Alle drei Monate, wie manche Experten meinen, dürfte in kleinen Betrieben zu oft sein. Aber jähr­lich sollte eine Mitar­bei­ter­be­ur­tei­lung als Ergän­zung zum Mitar­bei­ter­ge­spräch schon statt­finden. Und sich im Sinne von Betriebs­klima sowie Team­geist gerne an einem Trend orien­tieren, der vieler­orts zu beob­achten ist: Weg von der Noten­ver­tei­lung und einem Fokus auf Schwä­chen, hin zu einer Mitar­bei­ter­be­ur­tei­lung im part­ner­schaft­li­chen Dialog mit Ziel­ori­en­tie­rung.

Bei Fragen spre­chen Sie uns gerne an.

Quelle: www.trialog-unternehmerblog.de, Heraus­geber: DATEV eG, Nürn­berg